Digitale Beteiligung: Weit verbreitet, aber kein Problemlöser „auf Knopfdruck“
Die Recherche des Projektpartners UdK zum Einsatz und Erfolg von Online-Diensten und sozialen Medien bei der Bürgerbeteiligung in der deutschen Stadtentwicklung hinterlässt ein differenziertes Bild. Die Digitalisierung der Beteiligung (E-Partizipation) ist in vollem Gange. Es gehört heute zum guten Ton, dass Städte und Gemeinden über ihre Webauftritte Informationen zu Dienstleistungen und Partizipationsmöglichkeiten teilen. Mängelmelder-Webseiten haben sich als Mitmachformat verbreitet und wurden von vielen Kommunen umgesetzt. Hier können Bürgerinnen und Bürger Anliegen vor Ort mit dem Smartphone oder über das Webportal erfassen und mit einer Standortposition an die Verwaltung übermitteln.
Das Hauptproblem der Selektivität in der Beteiligung ist dadurch aber nicht geschwunden, wie die Offline-Beteiligung ist auch die Online-Beteiligung sozial selektiv. Aus Sicht des Projekts bergen Innovationen im qualitativen Bereich, wie eine konsequente Orientierung von E-Partizipationstools an den Bedürfnissen der späteren Nutzer*innen, noch zahlreiche Chancen, um etwa mehr Menschen zu erreichen. Auch die gezielte Kombination von physischen und digitalen Interaktionen in sogenannten crossmedialen Beteiligungsverfahren birgt Potenzial für eine qualitativ bessere Einbindung der Bürger*innen in Stadtentwicklungsprozesse. Stets zu berücksichtigen ist dabei jedoch, dass mehr Digitales nicht automatisch mehr oder bessere Beteiligung bringt.
Es ist davon auszugehen, dass inzwischen kein größerer Beteiligungsprozess in Deutschland mehr ohne digitale Medien auskommt. Welche Rolle digitale Medien dabei genau spielen, ist allerdings selten einheitlich. Viele Städte und Gemeinden betreiben mittlerweile E-Partizipationsplattformen, die Möglichkeiten der Information, Diskussion und Abstimmung über Pläne und Projekte der Stadtentwicklung in sich vereinen. Trotz des immer häufigeren Einsatzes von E-Partizipation bestehen erhebliche Lücken in der Evaluation der Verfahren im Nachhinein. Die Folge: Es ist bisher kaum nachzuweisen, welche konkreten Wirkungen auf die Verfahren digitale Elemente tatsächlich haben. Dies ist insofern wenig verwunderlich, da sowohl die Partizipationsverfahren als auch die verwendeten Plattformen sich deutlich unterscheiden. Zusätzlich bestehen kaum einheitliche Regelungen zur Evaluation solcher Beteiligungsaspekte.
Digitale Lösungen müssen sich den unterschiedlichen Formen der Beteiligung an Stadtentwicklung anpassen. Der angestrebte Grad, in dem sich Bürger*innen zu Fragen der Stadtentwicklung einbringen können, hat großen Einfluss darauf, wie diese Verfahren aufgebaut sind. Sollen Bürger*innen transparent über ein Entwicklungsprojekt informiert werden oder geht es darum, ein möglichst breites Meinungsbild der Stadtgesellschaft tatsächlich in einen Entwicklungsprozess einfließen zu lassen? Je nach Frage und Anforderung müssen geeignete digitale Verfahren gefunden werden.
Es lohnt sich aus Sicht der Projektgruppe, genauer auf spezifische Stärken und Schwächen von digitalen Verfahren zu blicken. Auf der Ebene der Information bieten etwa Blogs oder Websites effektive Möglichkeiten einseitiger Kommunikation: Die Stadt stellt Informationen zur Verfügung, die Bürger*innen rufen sie ab. Informationen können hier unabhängig von Zeit und Raum abgerufen werden. Auch eine Konsultation von Bürger*innen, also das Einholen ihrer Meinungen und Wünsche, kann auf diesem Weg effektiv stattfinden. Beispiele hierfür sind Webseiten, auf denen Stadtbewohner*innen bauliche Mängel melden können. Trotz dieser Möglichkeiten bleiben physische Interaktionen, Personen und Orte des Vertrauens wichtig, um Menschen an Beteiligungsprozesse zu binden und eine empathische Aushandlung zwischen unterschiedlichen Personen zu ermöglichen. Vor diesem Hintergrund liegt ein großes Potenzial in konsequent crossmedial konzipierten Beteiligungsprozessen, welche die jeweils spezifischen Vorteile von physischer Kopräsenz und Virtualität sinnvoll verbinden.
In der Integration digitaler Technologien mit physischem Zusammentreffen der Beteiligten lassen sich neue Erfahrungs- und Kommunikationsräume erschließen. Vertrauen aufzubauen und zu halten spielt eine entscheidende Rolle, um Menschen an Beteiligungsverfahren zu binden. Vor dem Hintergrund eines systematischen Mangels an Diversität bei Beteiligungsverfahren ist es wichtig zur Kenntnis zu nehmen, dass digitale Partizipationsformate nicht per se inklusiver sind als analoge. Der Aufbau und die Gestaltung von diversitätssensiblen E-Partizipationsplattformen bedeuten einen erheblichen Mehraufwand und erfordern im Zweifelsfall eine Abkehr von gewohnten Mustern, wie etwa die implizite oder explizite Annahme eines männlichen Norm-Users. Mehrsprachigkeit von Webseiten ist ein einfaches Beispiel für das Potenzial des Digitalen für inklusive Kommunikation. Eine durchgängig nutzerorientierte Gestaltung birgt weitere Möglichkeiten.
Gleichzeitig muss betont werden, dass das Potenzial von E-Partizipation erst dann spürbar werden kann, wenn die generellen Kriterien guter Beteiligung beachtet werden. Anders ausgedrückt: Beteiligung an Stadtentwicklung wird nicht auf Knopfdruck besser oder inklusiver, nur weil sie digital stattfindet. Allgemeine Faktoren wie ein klar definiertes Ziel, ein Thema von subjektiver Relevanz sowie die angemessene Ausstattung mit Ressourcen bleiben maßgebliche Gründe, ob Bürger*innen sich an ein Projekt binden.